Das am letzten Freitag vorgestellte Maßnahmenpaket im Rahmen der Wachstumsinitiative der Bundesregierung greift ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema auf: die im Koalitionsvertrag angekündigte neue Rechtsform für „Unternehmen mit gebundenem Vermögen“. Diese wäre eine wichtige weitere Option für Mittelständler, die vor der Nachfolgefrage stehen, da laut DIHK nur noch jedes dritte Unternehmen in der Familie weitergegeben werden kann. Mit so einer Rechtsform würden Stiftungsmodelle wie von Bosch auch für den Mittelstand zugänglich und der Nachfolgepool einfacher über die Familie hinaus erweiterbar. Die Koalitionsspitzen haben sich nun darauf verständigt, „zeitnah einen Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den Deutschen Bundestag“ einzubringen.
„Nun muss es um eine zügige und vor allem an den Bedürfnissen mittelständischer Unternehmerschaft angelehnte rechtliche Umsetzung gehen“, betonen die für das Thema zuständige Berichterstatterin und die Berichterstatter der Koalitionsparteien, Esra Limbacher (SPD), Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen) und Otto Fricke (FDP). Um hierfür einen Diskussionsbeitrag zu leisten, haben die Berichterstatterin und die Berichterstatter gemeinsam eine Gruppe renommierter Rechtswissenschaftler gebeten, einen „wissenschaftlichen Diskussionsbeitrag zur Schaffung einer neuen Rechtsform für Gesellschaften mit gebundenem Vermögen (GmgV)“ vorzulegen.
Dieser liegt den Ministerien seit April dieses Jahres vor und soll in Kürze veröffentlicht werden.
„Wir freuen uns, den Vorschlag der Rechtwissenschaft, hinter dem sich viele Verbände versammeln können, zusammen mit Eckpunkten aus dem BMJ zu diskutieren und mit dazu beizutragen, dass schnellstmöglich die beste Lösung für dieses wichtige unternehmerische Anliegen gefunden wird“, bekunden die drei.
Esra Limbacher, Mittelstandsbeauftragter und stellv. wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Wir haben uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und uns mit Rechtswissenschaftlern und Praktikern dazu ausgetauscht. Die vorliegenden Vorschläge aus der Rechts- und Finanzwissenschaft bilden die Ergebnisse eines langen und umfangreichen Evaluierungsprozesses ab. Die daraus erwachsenen Beiträge, die auch den zuständigen Ministerien vorliegen, unterstützen wir ausdrücklich. Wir freuen uns auf die hoffentlich bald startenden Diskussionen im Parlament!
Die neue Gesellschaftsform kann ein Baustein zur Lösung der Nachfolgeproblematik – insbesondere in mittelständischen Betrieben sein. Die Idee dieser neuen Gesellschaft stärkt zudem das System unserer freien sozialen Marktwirtschaft. Daher halte ich das Vorhaben zur Schaffung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen für richtig. Was wir jetzt brauchen, ist eine zügige Umsetzung.“
Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion dazu: „Der vorgelegte Diskussionsbeitrag der Professorengruppe zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für Gesellschaften mit gebundenem Vermögen setzt Maßstäbe. Er kommt dem Bedarf der Unternehmen, die sich diese neue Rechtsform so stark wünschen oder sich schon heute rechtliche Konstrukte mit den entsprechenden Merkmalen selbst ermöglichen – dies aber unter komplizierten und schwierigen Konstruktionen – aus meiner Sicht sehr genau nach und sichert gegen Missbrauch ab. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die GmgV bald eingeführt wird, damit für tausende mittelständische Unternehmen, die dringend eine weitere Option für die Regelung der Nachfolgefrage brauchen, das Warten ein Ende hat.“
Otto Fricke, Berichterstatter der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied des Rechtsausschusses: „Wir stehen zu unserer Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, eine neue Rechtsform mit gebundenem Vermögen zu schaffen. Neben den bald zu erwartenden Eckpunkten aus dem BMJ bin ich dankbar für den Vorschlag der Professorinnen und Professoren um Frau Prof. Dr. Anne Sanders. So wird der bei einer solchen grundlegenden Erweiterung des Gesellschaftsrechts und unserer Unternehmenslandschaft notwendige breite gesellschaftliche Diskurs noch einmal erweitert und vorangetrieben. Jetzt gilt es, gemeinsam die bestmögliche Regelungsform zu finden, die aber Rosinenpickerei, auch im Steuerrecht, vermeiden muss.“
Zentrale Elemente einer Rechtsform nach dem vorliegenden Debattenbeitrag:
Der rechtswissenschaftliche Debattenbeitrag stellt als Gesetzentwurf folgende Dinge sicher, die aus Sicht der Berichterstatter in einem jeden Vorschlag für eine solche Rechtsform enthalten sein sollten:
Unumkehrbare Vermögensbindung
Herzstück der GmgV ist eine rückwirkend unumkehrbare Vermögensbindung. Vermögen und Gewinne verbleiben im Unternehmen und dienen dessen Entwicklung. Diese muss auch europarechtlich abgesichert sein. Umwandlungen sind nur in andere Rechtsformen mit äquivalenter Vermögensbindung möglich. Die Vermögensbindung wird durch verschiedene aufeinander abgestimmte Instrumente abgesichert. Zentral ist dabei eine externe private Aufsichtsinstanz (Aufsichtsverband), die bei Bruch der Vermögensbindung klageberechtigt ist, Wissen über Missbrauchsgestaltungen ansammeln kann und Unternehmen entlastet, nicht jeweils eigene Missbrauchssicherungen aufbauen zu müssen.
Vermögen bleibt beweglich, Investments möglich
Die Vermögensbindung bedeutet nicht, dass das Vermögen der GmgV unbeweglich ist. Bestandteile des Unternehmens oder Vermögensgegenstände sind veräußerlich – bis hin zum gesamten Substanzwert des Unternehmens. Auch Ausgliederungen in Tochtergesellschaften ohne Vermögensbindung sind möglich. Jedoch bleibt die Vermögensbindung rückwirkend auch hier gewahrt, da sie für die Erlöse weiterhin gilt: Sie haben in die GmgV selbst oder eine andere GmgV zu fließen oder sind gemeinnützig zu spenden.
Investments in die GmgV sind zu marktüblichen Konditionen möglich. Durch die besondere Struktur müssen allerdings technisch andere Wege beschritten werden. In Frage kommen schuldrechtliche Finanzierungsinstrumente wie zum Beispiel Nachrangdarlehen oder Genussrechte. Die Vermögensbindung muss aber auch hier gewahrt bleiben – in dem in der Höhe oder in der Zeit Caps vorgesehen sind und nur fremde Dritte, „non-related Parties“, die keine Gesellschafter sind oder ähnliche Rechte haben, solche Finanzierungen leisten dürfen.
Keine steuerrechtlichen Probleme
Die GmgV muss so gestaltet sein, dass sie sich nicht als Steuersparmodell missbrauchen lässt – dafür liegt ein Vorschlag vor. Sie darf allerdings auch nicht im Vergleich zu anderen Rechtsformen steuerlich benachteiligt werden.
Nachfolge-Option dank Mitgliedschaftslogik
Im Hinblick auf die Nachfolge-Situation in entsprechenden Unternehmen dient das Genossenschaftsrecht als Vorbild. Anders als in Kapitalgesellschaften wie der GmbH gibt es in dem rechtswissenschaftlichen Diskussionsbeitrag zur GmgV keine Anteilsstruktur, sondern eine Art Mitgliedschaft der Gesellschafter. Dies ermöglicht, dass Alt-Eigentümerinnen und Eigentümern aus- und die nachfolgende Unternehmergeneration sehr unbürokratisch in die Unternehmerschaft eintreten können. Ein auf dem Unternehmenswert basierender Kaufprozess der Anteile, wie man es aus herkömmlichen Rechtsformen kennt, entfällt somit. Lediglich eine Haftsumme von mindestens 5.000 Euro muss eingebracht werden, die bei Austritt wieder ausgezahlt wird. Damit wird der Kreis an potentiellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern größer – es entscheiden Fähigkeiten und Werte, nicht aber die Kaufkraft oder Erbschaft.
Kontakt
Bei Nachfragen zur Kommentierung durch Esra Limbacher oder für weitere Informationen zum Gesetz melden Sie sich gerne unter esra.limbacher@bundestag.de oder telefonisch unter 030 227 78741.
Bei Nachfragen zur Kommentierung durch Katharina Beck oder für weitere Informationen zum Gesetz melden Sie sich gerne unter katharina.beck@bundestag.de oder telefonisch unter 030 227 78071.
Bei Nachfragen zur Kommentierung durch Otto Fricke melden Sie sich gerne unter otto.fricke.ma07@bundestag.de oder telefonisch unter 030 227 71020.